Wurzelbehandlung in Jerusalem

Einsatz als freiwillige Zahnärztin

Eigentlich fährt man in seiner freien Zeit ja weg, um mal nicht zu arbeiten. Besonders in Israel gibt es so viele interessante Orte, die ich noch nicht gesehen habe, oder zu denen man einfach öfter reisen muss. Trotzdem war es für mich eine Ehre, während meines letzten mehrwöchigen Aufenthalts in
Israel in einer ganz besonderen Zahnklinik zu volontieren – und eben doch in meinem Beruf als
Zahnärztin zu arbeiten.

Diese Klinik wurde 1980 von Trudi Birger gegründet, die zwischen den beiden Weltkriegen in einer
wohlhabenden jüdischen Familie in Frankfurt am Main aufwuchs. Sie überlebte die Schoah und konnte kurz nach dem Krieg mit ihrer Mutter und späterem Ehemann Alija machen. In Israel studierte sie Mikrobiologie und gründete eine Familie. Daneben engagierte sie sich immer für Kinder in Notlagen. Als sie als junges Mädchen zusammen mit ihrer Mutter dem Krematorium eines Todeslagers entkommen konnte, hat sie sich selbst geschworen, alles dafür zu tun, dass Kinder nicht leiden müssen. Sie beschreibt ihre Lebensgeschichte in einem sehr bewegenden Buch, welches sie in großer Liebe und Dankbarkeit ihrer Mutter widmete („A Daughter’s Gift of Love“).

Birger sammelte jahrelang Spenden und begeisterte israelische Zahnärztinnen und Zahnärzte für ihre Idee, eine Zahnklinik für Kinder zu eröffnen. Dort sollten Kinder behandelt werden, deren Eltern sich eine Behandlung in einer privaten Zahnarztpraxis nicht leisten können. Bis heute, 40 Jahre nach der Eröffnung der „Trudi Birger Dental Clinic“, kommen Kinder und junge Erwachsene aus ganz
Jerusalem und erhalten hochwertige Zahnbehandlungen wie in einer normalen Praxis. Sie werden von ausgebildeten Zahnarzthelferinnen darin geschult, ihre Zähne auch zuhause sauber und gesund
zu erhalten. Die behandelnden Zahnärztinnen und Zahnärzte kommen inzwischen aus der ganzen Welt und spenden ihre Arbeitszeit sowie zahnärztliche Materialien und Instrumente, auf die die Klinik angewiesen ist. Auch der Staat Israel unterstützt das Projekt finanziell, jedoch kommt der
größte Teil der Einnahmen aus Spenden. Viele Ärztinnen und Ärzte kommen einmal jährlich und besuchen im Zuge ihres Aufenthalts Freunde und Familie in Israel oder verbringen dort die Feiertage.

Als es letztes Jahr in Deutschland nach Sukkot kalt und winterlich wurde, konnte auch ich endlich meine Koffer packen und meine Reise nach Israel und zu meinem ersten Freiwilligeneinsatz in der
Trudi Birger Dental Clinic antreten. Ein kleiner Koffer voll mit Füllungsmaterialien, zahnärztlichen Instrumenten, Medikamenten und Geschenken musste auf jeden Fall mit!

Die Patienten der Klinik wissen schon, dass die behandelnden Ärztinnen und Ärzte von überall in der Welt kommen, um ihnen zu helfen. Sie sind sehr tapfer und dankbar, auch wenn es beim Zahnarzt manchmal nicht ganz angenehm ist. Jede ausländische Zahnärztin arbeitet in dieser Klinik mit einer hebräisch-sprechenden Zahnarzthelferin zusammen, die die Patienten meist schon kennt und ihnen alles Notwendige übersetzt. Damit ich meine Patienten direkt ansprechen kann, habe ich mir vorher
ein zahnärztliches Vokabular angelegt und natürlich zuhause mit meinen israelischen Freunden geübt...

Wie überall auf der Welt mögen auch Kinder in Israel gerne Süßigkeiten und Limonade und müssen umso besser darauf achten, ihre Zähne und Zahnfleisch gut zu reinigen, und sich manchmal auch von
ihren Eltern dabei helfen lassen. Diese Aufklärung ist ein wichtiger Teil der zahnärztlichen Behandlung, damit Kinder und Eltern wissen, wie sie erneute Erkrankungen der Zähne vermeiden können. Aber wie überall auf der Welt sind Kinder abends oft zu müde, um ihre Zähne zu putzen. Und morgens zu sehr in Eile. Und mittags wollen sie lieber spielen und rausgehen. Deswegen erzählen auch die Zahnärzte in Israel den Kindern genau das gleiche wie hier: Zweimal täglich, morgens und abends, mindestens zwei Minuten lang die Zähne putzen. Und zweimal im Jahr zum Zahnarzt!

Es war eine ganz besondere Erfahrung, in der Klinik zu arbeiten und Teil des Projektes zu sein. Mein nächster Aufenthalt dort ist bereits geplant. Es ist für mich als Zahnärztin für Kinder sehr erfüllend, auch in Jerusalem dazu beigetragen zu haben, dass ein paar Kinder ein bisschen gesündere Zähne und weniger Zahnschmerzen haben.

Heide L. KLATT, leitende Zahnärztin einer Kinderzahnarztpraxis in Frankfurt am Main

Foto aus dem Archiv der Autorin